Pferde im Sommer – Vorsicht bei Hitze
Pferde leiden in der akuten Hitzeperiode viel mehr als gedacht. Bereits unter leichter Arbeit kann die Körpertemperatur der Pferde auf eine schädigende höhe ansteigen. Insbesondere schwül-warme Luft ist sehr gefährlich. Wir klären über die größten Irrtürmer auf und geben hilfreiche Tipps, damit eure Pferde gut durch die Hitzewelle kommen.
Irrtümer in der Pferdehaltung – das Pferd als Steppentier
Hartnäckig hält sich die Behauptung, dass Pferde auf Grund ihrer evolutionstheoretischen Abstammung als Steppentier bestens an heiße Temperaturen angepasst sind. Allerdings kann das damalige Steppentier Pferd nicht mit den heutigen domestizierten Rassen verglichen werden. Natürlich gibt es einige Rassen, wie zum Beispiel dem Araber, die gerade auch in Wüstenregionen beheimatet sind. Hierbei handelt es sich allerdings um sehr alte Rassen, die sich über einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten an ihr Habitat perfekt angepasst haben. Unsere domestizierten Pferde – besonders in unseren Breitengraden – sind nicht an extreme Hitze gewöhnt und leiden deshalb noch mal mehr, als ihre Verwandten. Auch die Rasse, das Alter und die Fellfarbe spielt beim Hitzeempfinde eine entscheidende Rolle. So sind die meisten Ponyrassen hinsichtlich der Wärmeverträglichkeit durchaus empfindlicher, als Warmblüter. Besonders auch Spezialrassen, wie Tinker, Isländer oder Dartmoor Ponys sind bei heißem Wetter besonders gefährdet. Neben der Rasse spielt natürlich auch die Fellfarbe eine wichtige Rolle. Dass dunkle Farben die Sonne anziehen, hat wohl jeder schon am eigenen Leib erfahren. Wir können uns dann einfach hellere Kleidung anziehen, unsere Pferde müssen mit ihrer Fellfarbe hingegen zurechtkommen. So überhitzen schwarze und dunkelbraune Pferde deutlich schneller, als ihre helleren Artgenossen und benötigen an heißen Tagen noch mal mehr Aufmerksamkeit. Auch das Alter ist entscheidend. So ist die Haut von Fohlen der Sonneneinstrahlung beinahe schutzlos ausgeliefert, da das Fell noch nicht so dick und isolierend wirkt, wie das der älteren Pferde. Aber auch alten Pferden macht die Hitze zu schaffen. Der Fellwechsel funktioniert nicht mehr einwandfrei und das Herz-Kreislauf-System ist nicht für heiße Temperaturen gewappnet. So sollten vor allem Risikokandidaten nicht allzu lange in der prallen Sonne ausharren – Weide hin oder her.
Pferde und Hitze
- Anteil aktiver Muskeln
Allgemein gilt, dass unser Wärmeempfinden nicht mit dem von Pferden verglichen werden kann. Während wir 25 Grad und Sonne als angenehm empfinden, kann die Körpertemperatur des Pferdes bei leichter Arbeit bereits schädigende Auswirkungen haben. Pferde besitzen durch ihre Größe auch eine größere Menge an aktiven Muskeln. Viele Muskelpartien sind, wie beim Menschen auch, ununterbrochen aktiv. Werden die Muskeln nun belastet, erzeugen sie zusätzliche Wärme. Die Muskelpartien, die am stärksten belastet werden, schwitzen auch zu erst. Innerhalb des Trainings ist das Schwitzen also ein gutes Indiz für die Kondition und Aktivität einzelner Muskelgruppen. Schwitzt das Pferd zuerst an der Hinterhand, so ist diese aktiv und übernimmt die Traglast. Schwitzt das Pferd dagegen zuerst an Hals und Brust, so ist die Hinterhand weniger aktiv und die Belastung ruht auf der Vorhand – das Pferd ist konditionell nicht besonders gut im Training. Daraus ergibt sich aber auch, dass besonders diese Pferde die Hitze noch weniger gut wegstecken können, als gut konditionierte Pferd, da das Herz-Kreislaufsystem folglich auch nicht gut trainiert ist.
- Körpertemperatur und Bewegung
Bereits bei leichter Arbeit und Temperaturen über 25 Grad kann die Körpertemperatur um bis zu 3 Grad ansteigen. Bereits ab Temperaturen um 40 Grad können die Eiweiße im Blut denaturieren – es drohen Nierenversagen, Koliken und Kreislaufzusammenbrüche. Pferde überhitzen dementsprechend deutlich schneller, als Menschen. Nach wissenschaftlichen Studien hat sich die Körpertemperatur nach 20 minütiger Arbeit auf 2,8 Grad erhöht. Ein Mensch hätte sich körperlich mindestens 2 1/2 Stunden betätigen müssen, um den geichen Anstieg der Körpertemperaturen herbei zu führen.
- Schwitzen und Verdunstungskälte
Während das Pferd auf Grund seiner Größe eine hohe Verdunstungsfläche bietet und im Normalfall bei starker Belastung bis zu 20 Liter Schweiß absondert, so kann der Wert bei heißen Temperaturen und ohne Belastung auf über 30 Liter ansteigen. Diesen enormen Verlust auszugleichen und zusätzlich noch genügend Flüssigkeit für die körpereigenen Funktionen aufzunehmen, ist beinahe unmöglich. Hinzu kommt die Tatsache, dass Pferde sich nur durch ca. 30 % des Schweißes abkühlen können. Beim Menschen sind es bis zu 50 %, was der Abkühlung durch Verdunstungskälte zu Gute kommt. Besonders bei schwül-warmen Temperaturen steigt die Gefahr der Überhitzung. Ist die Außenluft bereits mit Wassermolekülen gesättigt, kann der Verdunstungsmechanismus nicht mehr funktionieren. Der warme Schweiß rinnt am Pferdekörper herunter ohne einen kühlenden Effekt zu erzielen. Das Pferd bewegt sich quasi in einer warmen Luftblase und kann sich nicht abkühlen.
- Sonnenstich auch beim Pferd
Hingegen weitläufiger Meinungen können auch Pferde einen Sonnenstich bekommen. Aber nicht nur bei extremer Hitze besteht die Gefahr eines Sonnenstichs. Bereits bei niedrigeren Temperaturen, aber dafür direkter Sonneneinstrahlung kann das Gehirn erheblich anschwellen und Körperfunktionen außer Kraft setzen bzw. ersthafte Schäden nach sich ziehen. Taumeln, Orientierungslosigkeit und Apathie sind erste Anzeichen für einen Sonnenstich. So sollte der Schopf eines Pferdes auch bei sehr hohen Temperaturen nicht eingeflochten werden, da er einen natürlichen Schutz gegen direkte Sonneneinstrahlung auf den Pferdekopf bietet. Andersrum sind besonders diejenigen Pferde gefährdet, die wenig oder gar keinen Schopf als Schutz zu bieten haben. Wichtig bei der Vorbeugung ist also eine geeignete Schattenfläche, auf die sich die Pferde zurück ziehen können.
Hitzeprobleme vorbeugen
- Wasser
Während der langanhaltenden Hitzeperiode ist gute Prophylaxe besonders wichtig. In erster Linie sollte den Pferden ausreichend Wasser zur Verfügung stehen. Hierbei reicht ein Wassertrog aber längst nicht aus, da Pferde an heißen Tagen gut und gerne 70 Liter trinken und manche Kandidaten auch gerne mit dem Wasser spielen. Deshalb ist es ratsam möglichst viele Tränkstellen auf der Weide anzubieten. Das Wasser sollte auch nicht zu kalt sein, da sonst Koliken und Bauchschmerzen die Folge sein können.
- Schatten
Ein weiterer wichtiger Faktor ist der Schatten. Schatten sollte in ausreichender Fläche auf den Weiden zur Verfügung stehen. Weiden ohne Schatten sollten an heißen Tagen gänzlich gemieden werden. Im Schatten sollten die Pferde auch die Tränken und etwaige Futterplätze finden. Müsste ein Pferd zwischen saftigem Gras und Schatten wählen, so würde es wohl das Gras vorziehen.
- die Bewegung anpassen
Die Bewegung und Arbeit des Pferdes muss unbedingt an die Witterung angepasst werden. Auch wenn uns 25 Grad angenehm erscheinen, so steigt die Körpertemperatur beim Pferd bereits bei leichter Arbeit erheblich an. An solchen Tagen eignen sich vor allem Schrittausritte im kühlen Wald oder Schrittarbeit in der meist kühleren Halle. Intensives Training unter der freien Sonne sollte möglichst vermieden werden. Ansonsten bleibt dem Reiter immer noch die Möglichkeit, auf die sehr frühen Morgenstunden auszuweichen. Abends ist es zwar bedeutend kühler, allerdings sind die meisten Pferde durch den Tag noch sehr erschöpft und aufgeheizt. Wenn es besonders heiß und schwül ist, sollte gänzlich auf zusätzliche Bewegung verzichtet werden. Das Risiko ist einfach zu groß.
- Abkühlen
Wie auch wir freuen sich die meisten Pferde über eine kühle Dusche. Hierbei sollte an den Hinterbeinen begonnen werden und von da wird nach und nach das gesamte Pferd geduscht. Aber aufgepasst bei den Ohren! Hinterher sollte das Wasser unbedingt mit einem Schweißmesser abgezogen werden, bevor die Pferde wieder rausgestellt werden. Wassertropfen auf dem Fell können die Sonnenstrahlen bündeln und eher noch mehr erhitzen, als kühlen. Auch kühle Hufbäder eignen sich optimal, um dem Pferd eine angenehme Abkühlung zu verschaffen.
- Mineralstoffhaushalt ausgleichen
Durch das starke Schwitzen gehen dem Körper wichtige Mineralstoffe und Spurenelemente verloren, die für die Körperfunktionen unerlässlich sind. Nach starker Anstrengung oder erheblichem Schweißverlust sollten deswegen zusätzlich Elektrolyte gereicht werden, die die körpereigenen Reservoirs wieder auffüllen.
Im Notfall
Hitzschlag, Sonnenstich und Dehydrierung sind IMMER Notfälle und bedürfen der ärztlichen Betreuung. Anzeichen für einen Hitzschlag können sein:
- erhöhte Atemfrequenz
- geweitete Nüstern und offen stehendes Maul
- das Pferd wirkt apathisch und steht wackelig
- stark erhöhte Körpertemperatur
- Schweißausbrüche
- Festliegen oder Kreislaufkollaps
Ist das Pferd bereits überhitzt, benötigt es schnelle und professionelle Hilfe – das Rufen eines Tierarztes ist unerlässlich, um weitere Schäden zu vermeiden. Das wichtigste ist, dass das Pferd in den Schatten geführt wird und ihm nasse, kühle Handtücher oder Decken über Rücken und Hals gehängt werden. Wasser sollte niemals eiskalt, sondern immer temperiert gereicht werden. Liegt das Pferd auf Grund eines Kreislaufkollaps bereits am Boden, sollten weder Wasser, noch Futter gereicht werden – der Schluckreflex könnte bereits beeinträchtigt sein. Zusätzliches Wedeln mit Frischluft kann ein Sinken der Körpertemperatur begünstigen.