Das richtige Gebiss – ein Zusammenspiel aus vielen Faktoren

Das Gebiss stellt die Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdmaul da. Da vor allem das Maul des Pferdes sehr empfindlich ist, sollte die Wahl des Gebisses nicht unüberlegt getroffen werden. Wir geben Aufschluss über die gängigsten Gebissarten und über das nötige Know-how der Auswahl

Worauf kommt es bei der Auswahl an?

Der Pferdehalter hat „Die Qual der Wahl“ – und das ganz wörtlich genommen. Das Gebiss und auch das Reithalfter liegen in einer Körperregion des Pferdes, in der die Nervenbahnen stark gebündelt und dicht an der Haut verlaufen. Durch ein nicht passendes oder ein ungeeignetes Gebiss in der falschen Reiterhand können dem Pferd leicht Schmerzen zugefügt werden. Der höchste Anspruch in der Wahl des Gebisses liegt auf dem Ansatz der „leichten“ Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul. Aber wie in fast allen Bereichen des Reitsports, können auch in der Wahl des Gebisses keine Pauschalisierungen getroffen werden. Viele unterschiedliche Faktoren spielen dabei eine wichtige Rolle. Grundsätzlich gilt aber, dass ein Gebiss - egal, wie gut es passt – nur ein erfolgreiches Ergebnis erzielen kann, wenn das Pferd gesund und korrekt trainiert ist, das Reithalfter vernünftig verschnallt und der Reiter in der Lage ist, gefühlvolle Hilfen zu geben.

- Können des Reiters und des Pferdes

Pauschal lässt sich diese Frage durch den Blick auf den Reiter und das Pferd beantworten. Während der Reiter seine reiterliche Ausbildung objektiv beurteilen muss (Zügelhaltung, Reiterhand, Empfindsamkeit), müssen beim Pferd zunächst die anatomischen Gegebenheiten überprüft werden. Weiterhin wichtig sind auch das Ausbildungsniveau des Pferdes und die Empfindlichkeit des Mauls. Ein Pferd, das nicht gut an den Hilfen steht und bei dem die nötigen Grundlagen in der Durchlässigkeit fehlen, wird mit einem ‚schärferen‘ Gebiss nicht automatisch feiner zu reiten sein. Zwar scheint die Anlehnung in solchen Fällen auf den ersten Blick verbessert, so kann es sich auf den zweiten Blick aber nunmehr nicht um eine reelle Anlehnung handeln. Nichtsdestotrotz kommt es aber auch auf das Empfinden des Pferdes an, welches Gebiss gerne genommen wird und welches nicht. Der Fokus sollte hier also nicht pauschal auf den Anforderungen einer bestimmten Klasse liegen, sondern vielmehr auf den individuellen Bedürfnissen von Pferd und Reiter.

- Anatomische Grundlagen

Bevor es überhaupt an die Auswahl der Gebisse geht, sollten die anatomischen Gegebenheiten des Pferdemauls genau betrachtet werden. Neben Art und Wirkweise zeichnet sich ein Gebiss vor allem durch die Breite und die Dicke aus. Wie aber das richtige Gebiss für mein Pferd auswählen? Pauschal kann man den Pferden von außen nicht ins Maul schauen. Um ein Gebiss richtig zu wählen, sollte dies aber der erste Ansatz sein. Die Dicke der Zunge und auch der Platz zwischen Schneide- und Backenzähnen lässt sich nicht von der Größe des Pferdes oder der Rasse ausmachen. Lediglich eine Mindestdicke von 10mm bei Ponys und 14mm bei Großpferden ist vorgeschrieben. Um die richtige Dicke auszuwählen, muss der Pferdehalter den Platz zwischen den Laden abmessen. Dies ist die Stelle im Pferdemaul, an der keine Zähen liegen. Bei geschlossenem Maul kann der Pferdehalter dieses Platz selbstständig bestimmen: Hierzu werden zwei Finger aufeinander gelegt und seitlich vorsichtig in das Pferdemaul geschoben. Verspürt man nun verstärkten Druck auf den Fingern, wird bei Großpferden eine Dicke von 14mm – 16mm empfohlen, da nicht so viel Platz vorhanden ist. Man muss bedenken, dass die Zunge auch noch Platz einnimmt. Ist der Druck nicht bis gar nicht stark, kann ein dickeres Gebiss gewählt werden. Studien zufolge werden die meisten Pferde mit zu dicken Gebissen geritten. Durch den verringerten Platz werden der empfindliche Gaumen und auch die Zunge gequetscht. Folgen können Kopfschlagen, Unwohlsein oder ‚auf das Gebiss legen‘ sein. Auch die Weite des Pferdemauls spielt eine entscheidende Rolle in der korrekten Auswahl des Gebisses, die sich auch je nach Gebissart unterscheidet. So sollten Gebisse mit durchlaufenden Ringen, wie die Wassertrense, knapp 0,5 cm größer gewählt werden als das Pferdemaul breit ist. Bei Gebissen mit festen Seitenteilen, wie zum Beispiel dem Olivenkopf- oder Schenkelgebiss, sollte das Gebiss etwas schmaler gewählt werden. Diese Gebisse erzielen die gewünschte Wirkung am besten, wenn die Seitenteile dicht anliegen. Kandarenzäumungen hingegen, die aus zwei Gebissen bestehen, benötigen unterschiedliche Weiten: während die Unterlegtrense in der Weite dem normalen Gebiss folgen soll, liegt die Kandare weiter unten im Maul und benötigt somit weniger Platz – Kandaren werden dementsprechend 0,5 cm – 1 cm kleiner gewählt.

 

Gebisse und ihre Wirkung

- Einfach gebrochene Gebisse

Einfach gebrochene Gebisse zählen mit zu den Standartgebissen entweder als Wassertrense, als D-Ring Gebiss, als Olivenkopfgebiss usw. Durch die einfache Brechung wirken diese Gebisse bei Zügelanzug auf die Zunge und den Kiefer ein. Das Mundstück stellt sich leicht auf, wodurch die Zungenmitte entlastet, die Ränder aber vermehrt belastet werden.

 Tipp: Fertigungstechnisch sind die beiden Schenkel der einfach gebrochenen Gebisse unterschiedlich lang. Um einer einseitigen Belastung vorzubeugen, sollte das Gebiss in regelmäßigen Abständen gedreht werden. Hierbei muss aber unbedingt auf eine eventuelle anatomische Formgebung geachtet werden. Die Firma SPRENGER hat hinsichtlich dieser Problematik mehrere Gebisse entwickelt, bei denen die Schenkel gleich lang sind und eine einseitige Belastung somit umgangen wird.

 Während herkömmliche Gebisse meist rund angelegt sind, bietet SPRENGER auch hier mit dem novocontact Gebiss eine Neuerung: dieses einfach gebrochene Gebiss ist flacher angelegt, wodurch die Auflagefläche im Maul entsprechend größer ist. Besonders für Pferde, die dazu neigen, sich einzurollen und nicht an die Reiterhand herantreten, hat sich dieses Gebiss besonders bewährt.

 - Doppelt gebrochene Gebisse

Je nach Ausführung der Gebisse, also zum Beispiel wie das Mittelstück angelegt ist oder ob die Gebissstege anatomisch geformt sind, ergibt sich auch die Wirkung des Gebisses. Ist die Größe und Weite korrekt ausgewählt, bietet dieses Gebiss eine größere Auflagefläche und somit ist es angenehmer zu tragen. Ist das Gebiss aber beispielsweise nicht anatomisch geformt, zu groß oder zu klein gewählt, kann durch das zweite Gelenk die empfindliche Zunge stark gequetscht werden oder es stellt sich unangenehm auf und Druckpunkte am Gaumen entstehen.

Bei Pferden, die untätig im Maul sind und nicht gut Abkauen, kann ein doppelt gebrochenes Gebiss mit einem sich drehenden Mittelstück eine sinnvolle Alternative bieten. Durch das rollende Element werden die Pferde zum Spielen und Kauen angeregt, was sich letztlich auch positiv auf die Entspannung der Kiefermuskulatur und die feinere Hilfengebung auswirkt.

- Stangengebisse

Auch bei Stangengebissen kommt es auf die richtige Größe an. Wenn diese zum Beispiel zu groß gewählt werden, können sie sich im Pferdemaul verkanten. Durch das gerade und meist starre Gebiss wird der Druck gleichmäßig auf die gesamte Zunge verteilt und wirkt letztlich auf den Unterkiefer des Pferdes. Durch die fehlenden Gelenke im Gebiss können richtungsweisende Hilfen aber nicht gezielt gegeben werden. Es eignet sich in erster Linie also eher für Pferde, die in Stellung und Biegung bereits korrekt ausgebildet sind. Starre Stangengebisse aus Metall kommen meist bei starken Pferden im Springen zum Einsatz. Es gibt allerdings auch weichere Varianten aus Kunststoff, Gummi oder mit einem teilweise biegsamen Mittelstück. Der große Vorteil, den Stangengebisse mit sich bringen, ist die Tatsache, dass die empfindliche Zunge des Pferdes nicht punktuell belastet wird. Der Druck verteilt sich gleichmäßig über die Zunge auf den Unterkiefer und ist deshalb besonders für Pferde geeignet, die sich auf das Gebiss legen und gegen die Hand gehen. Die weichen Stangengebisse hingegen eignen sich auch für Pferde, die sich beim Reiten mit Gebissen aus Metall einrollen und verkriechen. Durch die gleichmäßige Druckverteilung trauen sich diese Pferde eher an die Reiterhand heran zu treten.

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- Durchlaufende Gebissringe

Durchlaufende Gebissringe, wie sie an den Wassertrensen vorkommen, können eine unruhige Reiterhand geringfügig ausgleichen, da sich der Ring bei Zügelanzug leicht mit dreht. Ringtrensen zählen zu den Standartgebissen, die für jeden Reiter und für jedes Pferd – ungeachtet des Ausbildungsstandes – zum Einsatz kommen.

- Feste Gebissseiten

Mit festen Gebissseiten sind solche Gebisse gemeint, dessen Seitenteile nicht wie bei der Wassertrense durchlaufen. Feste Seitenteile haben zum Beispiel Olivenkopf-, D-Ring und Schenkeltrensen. Durch die festen Seitenteile werden die Zügelhilfen direkter übertragen, als bei Wassertrensen. Den entscheidenden Vorteil bietet allerdings die ruhigere Lage des Gebisses im Pferdemaul. Zudem können die empfindlichen Maulwinkel des Pferdes nicht so leicht eingeklemmt werden, wie bei durchlaufenden Gebissringen. Feste Seitenteile eignen sich vor allem bei Pferden, die Schwierigkeiten mit der seitlichen Anlehnung haben und über die Schulter ausbrechen. Auch Pferde, die zu sehr mit dem Gebiss spielen und unruhig im Maul sind, sprechen auf solche Gebisse sehr gut an.

 

- Gebisse mit Anzügen

Während die oben genannten Gebisse in erster Linie auf die Zunge und den Unterkiefer wirken, wirken sich Gebisse mit Anzügen auf drei verschiedene Punkte am Pferdekopf: Zum einen auf die Zunge und den Unterkiefer, durch die Hebelwirkung der Anzüge auf das Genick und durch die Kinnkette schlussendlich wieder auf den Unterkiefer – hierbei aber quasi von unten nach oben. Solche Gebisse setzen einen verantwortungsvollen Umgang und die entscheidenden Grundlagen der Reiterei sowie das nötige Einfühlungsvermögen und eine geschmeidige Hand voraus.

- Materialien

Nicht nur die Gebissart, sondern auch das jeweilige Material hat Einwirkung darauf, wie das Gebiss von den Pferden angenommen wird. Besonders häufig kommen Edelstahl, Kupferlegierungen, Kunststoff sowie Gummi zum Einsatz. Letztere Gebisse sind durch das weiche Material aber auch anfällig für Zerbiss. Weiterhin muss besonders bei solchen Gebisse auf die Qualität geachtet werden. Sie sollten somit lösemittelfrei und lebensmittelecht sein. Vor allem Gummigebisse sollten keine Weichmacher enthalten. Sprenger hat hinsichtlich der Anforderungen an Gebisse zwei weitere Materialien entwickelt, die extra für den Gebrauch im Pferdemaul entwickelt wurden. Sensogan ist eine Legierung aus Kupfer, Mangan und Zink. Aurigan hingegen aus Kupfer, Silizium und Zink. Beide Materialien fördern den Speichelfluss und somit die Kautätigkeit des Pferdes

Welches ist nun das richtige Gebiss?

Die Informationen zu den Gebissen sind natürlich nur Grundlagen hinsichtlich der richtigen Wahl. Welches Gebiss von welchem Pferd wie gut angenommen wird, kann im Vorfeld nie mit Sicherheit entschieden werden. Wichtig sind zunächst jedoch die korrekte Gebissdicke und Gebissweite. Im nächsten Schritt sollte erst die Wahl der bestimmten Gebissart stehen, da manche Gebisse aufgrund von anatomischen Besonderheiten beim Pferd grundsätzlich nicht in Frage kommen könnten. Wie welches Gebiss angenommen wird, liegt letztlich aber auch am Können des Reiters, der die Zügel und somit die direkte Verbindung zum empfindlichen Pferdemaul in den Händen hält.

Gebisspartys

Unabhängig von der richtigen Größe eines Gebisses spielt wohl der Leitsatz „Probieren geht über studieren“ eine entscheidende Rolle. So bieten einige Hersteller bereits ‚Gebisspartys‘ an, bei denen der Reiter die Möglichkeit hat, das Maul des Pferdes korrekt zu vermessen und die Gebisse zusätzlich direkt testen kann.

 

Vielen Dank an SPRENGER für die tatkräftige Unterstützung.

Weitere Informationen gibt es auf der offiziellen Homepage:

https://pferdesport.sprenger.de/